Nachdem Polar sich vor gut eineinhalb Jahren mit der Vantage Vendlich wieder mit einer neuen Sportwatch zurückgemeldet haben, legen die Finnen nun im Outdoorbereich nach. Mit der Grit X haben sie eine Uhr für Bergsortler auf den Markt gebracht und vor allem für Trailrunner ist die Grit X eine spannende Uhr. Sie soll die bekannten Eigenschaften von Polar mit einem robusten Äußeren verbinden. Über mehrere Wochen konnte ich testen, ob das auch gelungen ist.
Der erste Eindruck
Bei der Optik hat Polar schon mit der Vantage V (hier im Test) seinen eigenständigen Weg verlassen und das finde ich gut. Die Modelle sehen endlich wieder wie Uhren aus, das trifft auch auf die Grit X zu. Hier haben die Finnen aber doch sehr auf die Konkurrenz geschaut, denn auf einen schnellen Blick könnte man die Grit X leicht verwechseln. Die Uhr kommt in drei verschiedenen Farben, wobei ich die Weiße zum Testen erhalten habe. Neu ist im Unterschied zur Vantage auch, dass man bei der Grit X die Uhrbänder leicht tauschen kann, hier kommt der 22mm Standard zum Einsatz. Damit kann man auch Uhrbänder von Fremdherstellern verwenden. Neu ist auch das deutlich robustere Äußere, es weist sogar Militärstandards auf und soll fast unverwüstlich sein. Auffällig ist die silberne Lünette als Abschluss des Monitors. Neu sind auch die Tasten, sie sind rund. Damit ist die Bedienung komfortabler als bei der Vantage. Beeindruckend ist trotz der Robustheit das Gewicht von lediglich 64 Gramm.
Die Funktionen
Wie immer bei Uhrentests werde ich nicht auf den vollen Funktionsumfang der Uhr eingehen, sondern die aus meiner Sicht für Trailrunner wichtigen Punkte oder herausragenden Eigenschaften herauspicken. Grundsätzlich ist die Grit X ihrer Schwester Vantage V sehr ähnlich. Nur zwei Funktionen der Vantage V finden sich nicht in der Grit X. Das ist die Recovery Pro-Funktion und der Orthostatic-Test. Zumindest der Orthostatic-Test fehlt mir bei der Grit X ein wenig. Das ist aber wohl nur dann von Bedeutung, wenn man wirklich nach den Ergebnissen des Tests trainiert. Dafür ist die Liste der Funktionen, welche die Grit X mehr hat, recht lange.
Besonders spannend für Trailrunner ist die neue Hill Splitter-Funktion. Sie zählt die absolvierten Anstiege und Downhills automatisch mit und man kann sie in der App nachher genau analysieren. Neu ist auch FuelWise. Hier kann man die Uhr seine Kalorienaufnahme takten lassen. Man kann im vornherein eingeben, wie hoch die Intensität des Trainings sein wird, dann auch wie viel Kalorien eine Portion Gel zum Beispiel hat und die Uhr erinnert einen dann daran zu trinken und zu essen. Dabei passt sie selbstständig die Alarme an die Bedürfnisse an. Trainiert man also härter als vorher eingegeben, passt die Uhr das an. Dazu passt dann auch die Funktion Energy Sources. Sie zeigt nach dem Training nicht nur die verbrauchten Kalorien an, sondern schlüsselt diese auch in Kohlehydrate, Fette und Eiweiß auf. Das Ganze kann man sich dann in der Uhr, der App oder online in Polar Flow anzeigen lassen.
Neu dazugekommen ist auch eine Wetterfunktion, gekoppelt mit dem Handy hat man den aktuellen Wetterbericht auf der Uhr. Bereits von den Konkurrenten bekannt ist ein besonders ausdauernde Akku-Sparmodus. Kartennavigation gibt’s noch immer nicht, dafür aber die bekannte Pfadnavigation und neu die Navigation mit Komoot mit „turn by turn“-Ansagen. Überarbeitet wurde auch der OHR, also der optische HR-Sensor, dabei fällt auf, dass die Farbe von grün zu Orange gewechselt hat. Das soll genauere Werte liefern.
In der Praxis
Also wie man sieht, vor allem für Trailrunner spannende Funktionen sind dazu gekommen. Wie schlägt sich die Grit X also auf dem Trail? Durch den OHR muss man sie auch weiterhin recht eng tragen, durch das weiche Armband ist das aber nicht ganz so unangenehm. Die Bedienung ist durch die Kombination aus Touchscreen und Knöpfe recht einfach. Wobei in den Sportmodi nur die Knöpfe genutzt werden können und das ist auch gut so, wie ich finde. Das kennt man auch schon von der Vantage V. Wie schon erwähnt, finde ich die Bedienbarkeit der neuen Knöpfe deutlich besser als bei der Vantage. Die Uhr wirkt an sich wertig und auch der Druckpunkt der Knöpfe ist gut. Die Menüführung und die Belegung der Knöpfe sind für alle, die neu zu Polar wechseln, eine kleine Umgewöhnung, aber eigentlich recht einfach und logisch. Das Menü ist übersichtlich und aufgeräumt.
OHR und GPS
Wohl zwei wichtige Themen, zu denen ich einen differenzierten Ansatz habe. Zuerst zum OHR. Polar wirbt mit der besten Pulsmessung am Handgelenk und damit liegen sie nicht ganz falsch. Im Vergleich mit Mitbewerbern und auch mit dem H10 Pulsgurt (zum Test) sind die Werte recht gut. Auch gibt es kaum mehr unerklärliche Ausreißer nach unten oder oben. Trotzdem hat der OHR einfach Nachteile, er reagiert langsamer als die HF Gurte. Das ist nicht zuletzt darauf zu begründen, dass der OHR den Puls misst und der Gurt die Herzfrequenz. Das ist nicht dasselbe, auch wenn es oft übereinstimmt. Zudem dauert es einfach kurz, bis der geänderte Puls am Handgelenkt ankommt. Hier kommt Polar mit dem OHR der Grit X aber schon ziemlich nahe an die EKG-genauen Werte des H10 Gurtes heran. Wer es aber absolut genau haben will, kommt nach wie vor um den Gurt nicht herum.
Dann zum GPS. Hier wird zwar derselbe GPS-Chip wie in der Vantage verwendet, durch die andere Bauweise scheint der aber bei der Grit noch um eine Spur besser zu arbeiten. Das einzige, was mir aufgefallen ist. Die Grit X braucht deutlich länger bis sie den Kontakt mit Satelliten hergestellt hat als die vergleichbare Konkurrenz. Beim GPS kann man allerdings eine Grundsatzdiskussion führen. Für viele ist das schon fast zur Religion geworden und wenn mal eine Abweichung im Track zu finden ist, dann ist die Uhr scheiße. Das sehe ich etwas anders, denn über die Jahre zeigt sich, dass es seine leichte positive Entwicklung gibt. Trotzdem ist und bleibt eine Abweichung von bis zu drei Prozent normal. Falls wer behauptet, seine GPS-Uhr ist immer genau, der hat nicht nur die Statistik gegen sich, sondern hat auch keine Ahnung vom GPS an sich. Und drei Prozent sind immer noch extrem genau für eine solche kleine Uhr und hier spielt auch die Grit X mit. Im Vergleich zur Vantage hat sie sogar ein paar Abweichungen weniger. Einen interessanten Artikel zum Thema GPS Genauigkeit findet ihr hier
Akku und Display
Beim Display hat Polar schon bei der Vantage nachgebessert und das setzt sich auch bei der Grit X fort. Das Display ist gut ablesbar und auch hell genug. Es schaltet eine leichte Hintergrundbeleuchtung auch immer ein, wenn man die Uhr zum Blickfeld dreht. Das ist sehr angenehm und funktioniert gut. Wer es heller haben will, betätigt den Lichtknopf. Das Display Design ist übersichtlich und zeigt auch die ganzen Smart Notifications gut an. Hier haben die Finnen auch viel gelernt seit dem Start der Vantage Serie. In den Sportmodi lassen sich die Display-Informationen leider nicht frei programmieren, sie sind vorgegeben. Die Kommunikation zwischen Uhr und Handy funktioniert sehr gut. Mit einer Ausnahme, nach einem Training muss man die Synchronisation mit dem Handy mittels Tastendruck anstoßen. Von selbst passiert das nicht. Auch etwas ärgerlich ist, dass man nicht auswählen kann, was alles zur Uhr weitergeleitet wird. So bekommt man auch jedes Update einer App usw. auf die Uhr.
Beim Akku gibt es Licht und Schatten. Die Akkulaufzeit ist in den Sportmodi ausgezeichnet und wir mit bis zu 100 Stunden angegeben. Natürlich nur in einem Super Ultra-Modus, aber immerhin. Bei vollem Funktionsumfang hält die Grit X aber auch immer noch über 30 Stunden, also mit OHR, Smart Notifications usw. Das ist ein sehr ordentlicher Wert. Anders sieht es im normalen Smartwatch-Modus im Alltag aus. Hier hält der Akku überraschend wenig lang. Spätestens nach drei Tagen (ohne Sport) muss die Grit X an den Strom. Das ist ziemlich kurz. Dafür ist die Ladezeit wieder sehr kurz, in gut 40 Minuten ist die Grit X wieder bei 100%.
Besonderheiten
Besonders hervorzuheben bei der Grit X ist die Auswertung über die Polar Flow Plattform. Sie ist sicher die mit Abstand beste ihrer Art. Alle Daten lassen sich bis ins Kleinste anzeigen und auswerten. So auch zum Beispiel bei der Schlafaufzeichung, die aus meiner Sicht auch die Beste am Markt ist. Am Morgen bewertet die Uhr auch, ob der Schlaf auch wirklich gut war mit allen Daten, die es so gibt. Das ist für Datenjunkies eine großartige Sache. Auch bietet die Uhr ein Trainingstipps auf Grundlage des körperlichen Zustands. So empfiehlt die Uhr Trainingseinheiten und führt auch durch diese. Sogar mit kleinen animierten Trainingsanleitungen. Die Trainingsempfehlungen sind aber trotzdem eher allgemein gehalten, denn wenn bei mir ein langes Training mit 90 Minuten empfohlen wird, dann ist das nett gemeint.
Was fehlt?
Wie schon gesagt fehlt mir ganz klar die Kartennavigation. Das ist im Gelände ein echter Mehrwert. Die Hill Splitter-Funktion ist zwar lustig, aber nicht ganz zu Ende gedacht. Ich hätte dazu gerne auch, dass ich weiß, wie lange der Anstieg vor mir bei einer geplanten Route ist, das kann der Hill Splitter zumindest noch nicht. Auch fehlen mir die frei programmierbaren Sportmodi, bei denen ich die das Display frei programmieren kann. Denn nicht jeder will auf den Seiten dasselbe sehen. Ob man nun Bezahlen und Musikhören mit der Uhr können muss, kann man sicher diskutieren, aber es ist halt Stand der Technik. Selbst eine Steuerung der Musik am Handy fehlt.
Fazit Polar Grit X
Bei allem muss man den Preis der Uhr vorausschicken. Mit 429 Euro ist sie in dem Outdoorsektor die mit Abstand günstigste Uhr. Da ist die Konkurrenz schon mal doppelt so teuer oder gar noch mehr. Nicht nur in Anbetracht dessen ist der Funktionsumfang der Grit X wirklich sehr groß. Es fehlt mir aber trotzdem eine Kartennavigation zum Beispiel, da ist die Navigation mit Komoot, sagen wir mal nett gemeint. Aus meiner Sicht die Grit X aber vor allem für ambitionierte Trailrunner sehr interessant. Denn zum einen funktioniert die Uhr ausgezeichnet und dazu kommt noch die großartige Auswertung über Polar Flow. Diese Kombination holt enorm viel aus der Uhr heraus.
Das GPS ist genau, der OHR funktioniert besser als bei vielen anderen Uhren (trotzdem kommt man um einen HF Gurt für Einheiten, bei denen der exakte Puls zählt, nicht herum), dazu ist sie einfach zu bedienen und sie ist zweifelsohne robust. Weiteres spricht für die Grit X noch das geringe Gewicht und die lange Akkulaufzeit. Weniger begeistert hat mich hingegen die Laufzeit im normalen Uhrenmodus, da muss man den Akkustand schon im Auge behalten. Und was ich so gar nicht verstehe ist, dass die Grit X die Trainings nicht selbstständig an das Handy überspielt, da ansonsten die Kommunikation mit dem Handy gut funktioniert. Keine Ahnung, was sich Polar da gedacht hat. Wer also viel Sportuhr für überschaubares Geld sucht und eine besonders genaue Auswertung der Trainingsdaten möchte, der wird mit der Grit X voll zufrieden sein.
Mehr Infos zur Polar Grit X findet ihr hier
Transparenzhinweis: Das Produkt wurde mir für diesen Test vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Damit ist aber keinerlei Einfluss auf das Ergebnis des Tests verbunden.
Hallo. Immer wieder ein guter Bericht von dir. Welche Uhr nuzt du? Mit was Zeichnest du deine Läufe und Strecken, Gos Daten auf? Was würdest du empfehlen? Ich nutz zum Beispiel Steava.
Vielen Dank. Ich nutze immer die Uhr die gerade zum Testen da ist. Aber dazwischen meist die jeweils aktuelle Garmin Fenix, also derzeit die Fenix6 Pro Solar. Mit der zeichne ich auch alles auf. Strava hab ich zwar, nutze es aber kaum. Zur Auswertung verwende ich TrainingPeaks.
Schöner, auf den Punkt gebrachter Bericht! Was mich (als Besitzer einer Vantage V) stört ist, dass Polar da auf Krampf (oder besser gesagt verkaufspolitischen Gründen) versucht, Funktionen auf die verschiedenen Geräte zu verteilen. So ist z.B. Orthostatic Test auf der Vantage V verfügbar, auf der GritX aber nicht. Oder andersrum FuelWise: nur auf der GritX. Dabei ist die Vantage V das Profimodell … warum hier kein FuelWise? Ist doch eine super Funktion für Rennen aller Art und nicht nur in den Bergen!
Und was ich in diesem Zusammenhang nicht vergessen werde: als Vantage V Käufer der ersten Stunde war man für viele Monate Gefühlt Beta-Tester … buggy Firmware und erst nach und nach ausgelieferte Funktionen. Und nun soll quasi Schluss sein mit dem Ausbau der Software? Obwohl die Funktionen eigentlich vorliegen?!