Schuss, aus und vorbei – die 66 Tage ohne Zucker sind geschafft. Nun ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Neuneinhalb Wochen ganz ohne Zucker auszukommen war die Vorgabe. Ich wollte einfach wissen, ob das geht und wie es mir dabei geht. Dass wir alle mit der modernen Ernährung zu viel Zucker zu uns nehmen ist ja Fakt. Das Thema ist derzeit auch sehr populär. Vor allem wir Sportler nehmen aber sicher noch mehr Zucker zu uns, zum Beispiel über die Nahrungsergänzungsmittel wie Gels und Co.
Die Idee ist schon um den Jahreswechsel durch meinen Kopf gespukt, und mit 24. Jänner dachte ich mir dann einfach: ich mach das jetzt mal. Die Vorgabe war, keinen Zucker, auch keinen Fruchtzucker und keine Zuckerersatzstoffe 66 Tage lang zu mir zu nehmen. Warum 66 Tage? Studien belegen, dass man etwa 2 Monate braucht, um sich den Zuckerkonsum abzugewöhnen. Und aus psychologischer Sicht dauert es 21 bis 66 Tage, um eine Angewohnheit zu ändern. Somit: 66 Tage.
Ich legte also voll motiviert los. Doch schon beim ersten Einkauf kam die Ernüchterung. Wenn ich mir jetzt nicht 66 Urlaub nehme, wird das mit 0,0% Zucker in der Nahrung nicht funktionieren. Meine Frau und ich kochen zwar fast alles selbst, Convenience-Produkte findet man in unserem Haushalt fast keine. Trotzdem ist es unmöglich, den Zucker ganz auszustellen. Sei es im Brot, im Senf und sogar im Frischkäse – der Zucker ist überall. Also mein erster Rückschlag, ich habe den maximale Zuckergehalt pro Produkt auf 3,5g auf 100g festgelegt. Das erschien machbar. Wenn möglich, habe ich aber auch auf diese Produkte verzichtet.
Im Sport dann das nächste Problem. Das Grundlagentraining bis etwa 1,5 Stunden war kein Problem, aber Intervalle oder lange Einheiten mit mehren Stunden waren eine Herausforderung. Die Intervalle gingen schlicht weg gar nicht, spätestens nach 45 Min und mehr als 3 Wiederholungen war ich platt. Bei langen Einheiten habe ich halt Brot mitgeschleppt und dazu Wasser. Aber auch mit Brot und Wasser kommt man rasch an die Grenze. Aber man verhungert wenigstens nicht. Also beschränkte ich mich auf Grundlagentraining und die bei den langen Einheiten musste ich halt durch.
Womit ich schon beim Unterzucker bin. Im normalen Leben war es überraschend einfach. Denn ich hatte nie wirklich einen Heißhunger auf Süßes oder so. Dafür hab ich eine Erklärung gefunden. Dadurch, dass ich fast überhaupt keinen Zucker zu mir genommen habe, gab´s nie Höhen und Tiefen im Insulinspiegel. Anders sah es zu Beginn mit den Stimmungsschwankungen aus. Von super drauf bis zickig und das innerhalb weniger Minuten. Das legte sich aber auch bald, und die letzten drei Wochen gab´s das auch nicht mehr.
Eines ist aber klar, mit einer zuckerfreien Ernährung ist man im normalen Leben extrem eingeschränkt. Das beginnt beim Mittagessen in der Arbeit. Hier muss man schon ziemlich genau schauen, was und wo man ist. Die Speisen- und Getränkeauswahl schränkt sich extrem ein. Und auch das Einkaufen in Lebensmittelgeschäften gleicht einer Schnitzeljagd, frei nach dem Motto: such die paar Lebensmittel ohne Zucker. Ein paar Wochen macht es Spaß, aber zuletzt war´s dann schon ziemlich nervig, wenn das Leben einem Suchspiel gleicht.
Nun aber zum Positiven. Auch wenn das Training anders gestaltet werden musste, also ohne intensive Intervalle, hat sich einiges getan. Man merkt nach ein paar Wochen, dass der Körper sich zunehmend auf die Fettverbrennung umstellt und sich dabei immer leichter tut. Beim letzten langen Grundlagenlauf mit 3:10 Stunden und 23km bin ich mit Wasser und zwei Scheiben Brot ausgekommen. Und ich war danach nicht platt, sondern super drauf. Man merkt also, der Körper reagiert schnell auf die Ernährungsumstellung. Die Fettverbrennung hat sich also deutlich ökonomisiert.
Was besonders aufgefallen ist, dass ich viel besser schlafe, seit ich auf den Zucker verzichte. Ich schlafe tiefer, ruhiger und damit wird der Schlaf als ganzes erholsamer. Ich wache ausgeruhter auf, war nie gerädert oder so. Selbst wenn ich zu wenig geschlafen hatte, war das Gefühl immer gut. Auch sehr positiv ausgewirkt hat sich der Versuch auf mein Gewicht. Ich habe in den 9,5 Wochen 8 Kilo abgenommen, aber ohne zu fasten. Also meine Kalorienmenge war nie geringer als sonst mit Zucker. Auch habe ich mich beim Nüsse-Knabbern nie zurückgehalten.
Mein Fazit: Es waren sehr spannende 9,5 Wochen in denen ich extrem viel über die Ernährung und meinen Körper gelernt habe. Ich weiß jetzt, dass mir der Zucker definitiv nicht gut tut. Einen schönen aha-Effekt erlebte ich am tag nach dem Ende des Experiments. Ich hätte alles essen dürfen, vom Nutellabrot bis zur Topfengolatsche. Aber ich wollte nicht, denn ich hatte überhaupt keine Lust darauf.
Aber ich weiß nach den 66 Tagen auch, dass es für mich nicht ganz ohne geht, vor allem beim Sport. Deshalb werde ich auch in Zukunft ein sehr wachsames Auge auf meinen Zuckerkonsum haben. Das heißt, ich lasse ihn weg wo es geht, aber ich will mich dabei nicht kasteien. Also wenn ich mal ein Eis haben will, werde ich eines essen. Aber ich werde den Zucker als das sehen, was er ist. Nicht als Grundnahrungsmittel, sondern als Belohnung für ab und zu, und als Hilfe, wenn das Training mal wirklich hart wird. Ich kann es nur jedem empfehlen, sich selbst mal einem solchen Versuch zu unterziehen, es ist wirklich spannend.
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